Donnerstag, 5. November 2015

Interview "Im blauen Salon"


   Liebe Claire, herz:linsen Dank, 

dass du mich in meiner [ˈzʊpn̩tɛriːnə] besuchst


      Erzähl mir ein wenig über dich. Was macht dich aus? 
Was liebst du? Wo lebst du?


Ich lebe im kunterbunten Berlin, in einem klassischen Altbau mit Garten nahe der Spree. Wenn ich nicht male, findet man mich beim Tangotanzen, beim Segeln, auf der Pferderennbahn oder in einem der kleinen Berliner Programmkinos. Ich streife auch gerne einfach nur durch die Stadt und sehe mir an, wie sich die Viertel verändern. Das ist so schön an Berlin: Alles ist ständig in Bewegung. Es gibt noch immer viele Freiräume und die Kunst- und Kulturszene ist sehr spannend. Ich bin aber auch gerne draußen vor der Stadt. 

Es ist mir wichtig, dass ich zwischendurch viel Ruhe bekomme. An den Seen oder im Wald kann ich auftanken und komme auf neue Ideen.

     
 
  Du schwärmst von deiner Stadt /// es hört sich an, wie eine Liebe. 
Ich mag es, wenn man sich mit seinem Lebens_Raum identifiziert.

„Der blaue Salon“ ist ja nicht zufällig blau geworden. 
Warum? Was fasziniert dich an dieser Farbe…


Blau ist für mich die Farbe des Unterbewusstseins, der Nacht, der Träume und der unendlichen Möglichkeiten. Auch an das Meer denke ich sofort. Für mich ist es eine Seelenfarbe. Ich komme auch beim Malen immer wieder auf Blautöne zurück - sie beruhigen mich.
Der Blaue Salon ist ja sowohl mein virtuelles Atelier als auch ein Ort, an dem sich Menschen - auf Twitter und im Blog – mit mir austauschen können.

Ich fand den Gedanken schön, den Blauen Salon dabei in gewisser Weise an den “Blauen Reiter“ anzulehnen: ein loses Netz von Künstlern, die sich austauschen, ohne dabei dogmatisch zu sein. Im Blauen Reiter waren alle Kunstformen gleichberechtigt und es herrschte die Idee vor, dass jeder Mensch eine innere und eine äußere Wirklichkeit erlebt, die in der Kunst zusammengebracht werden können. Für die Gespräche im Blauen Salon wünsche ich mir eine ebensolche Offenheit und Neugier, ein gegenseitiges Inspirieren, Voneinander-Lernen und Miteinander lachen. Ich glaube, das diese Verbindungen unglaublich wertvoll sind.


Ja, auch ich mag die Begegnung mit neuen Menschen, 
die mich inspirieren & ergreifen /// die mich greifen.

Was ist das Alleinstellungsmerkmal deiner Kunst? Was macht dich aus? Mit welchen Materialien malst du /// was brauchst du um dich im deiner Kunst auzuleben? 



I will wait - Öl auf Leinwand
 


Das ist eine schwierige Frage. War nicht alles schon einmal da? Und gibt es so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal überhaupt?
Ich möchte mit meinen Arbeiten vor allem Räume öffnen und Weite vermitteln. Ich wünsche mir, dass Menschen bei der Beschäftigung mit meinen Bildern das deutliche Gefühl bekommen, dass für jeden jederzeit alles möglich ist. Nichts ist wirklich jemals festgelegt, es lässt sich alles immer noch verändern und verbessern. Zugleich darf meine Kunst wirklich von Herzen „schön“ sein. Provokation interessiert mich weniger. Mir geht es um die stillen Momente. Um das, was sich ganz leise im Inneren bewegt und dann umso länger nachhallt.

Die Materialien, die ich nutze, sind je nach Stimmung unterschiedlich. Ich liebe zum Beispiel Pastellkreiden, weil man durch die direkte Arbeit mit den Fingern sehr nah am Bild ist. Die Kreiden haben einen besonderen Platz in meinem Herzen. Sie sind von Natur aus matt und man muss sehr konzentriert und versunken arbeiten, um die Kreidebilder zum „Leuchten“ zu bringen – das hat etwas Meditatives.

Im Moment arbeite ich aber vor allem mit Ölfarben, weil ich deren Konsistenz und Geruch sehr liebe und die Farben einen wunderschönen Glanz mitbringen, der mir gefällt. Hin und wieder male ich auch noch mit Acryl, das ich mit Crémant oder Champagner mische – das ist eine kleine Macke von mir … Aber ich mag auch Aquarellfarben sehr gerne, wobei ich mit ihnen meist geometrische Formen entwickle und weniger „klassische Landschaftsbilder“, wie die meisten sie wohl von Aquarellen erwarten.

Ich experimentiere ohnehin viel, mische aber niemals wild alle möglichen Materialien. Wahrscheinlich, weil ich auch sonst Puristin bin. Ich mag Klarheit. Klare Formen, klare Ausdrucksweisen, klare Entscheidungen. Unausgegorene Zustände oder Konfuses macht mich wahnsinnig, das kann ich nicht lange um mich herum haben.

Neuerdings spiele ich mit den Möglichkeiten der Encaustic-Malerei herum, also mit dem Erhitzen von Bienenwachs, Harzen und Ölfarben. Ich bin gespannt, wohin mich das noch führt. Es wird sicher einiges am bisherigen Stil verändern, weil die Materialien andere Möglichkeiten eröffnen.


  Magst du mir dein Lieblingsbild von einem Künstler zeigen & mir etwas darüber erzählen? 
  Was macht es aus? Was erzählen mir die Farben & Formen? 
Warum liebst du es so sehr? 


by::: Robert Delaunay
Ein Lieblingsbild habe ich gar nicht … Es gibt so viele unglaublich inspirierende und bewundernswerte Bilder aus den unterschiedlichsten Epochen. Die Serie der Fensterbilder von Robert Delaunay liebe ich aber zum Beispiel sehr. Ich könnte stundenlang staunend davorstehen und in den Farben versinken. Mich begeistert, wie Delaunay seine Sicht auf Paris vermittelt hat, wie er die Stadt durch die Spiegelungen in einer Fensterscheibe einfängt – und wie er dazu Farbflächen gegeneinanderstellt, die sich in Folge gegenseitig verstärken und zum Leuchten bringen.


by::: Lyonel Feininger
Ein weiteres Bild, das ich sehr liebe, ist „Stiller Tag am Meer III“ von Lyonel Feininger. Ich sehe dieses Bild an und werde innerlich sofort vollkommen ruhig. Es ist bewundernswert, wie Feininger mit Transparenz spielt, wie exakt er arbeitet und wie leicht dieses Bild trotzdem wirkt. Er selbst hat diese Art des Malens „Prismaismus“ genannt. Feininger war übrigens auch Musiker bzw Komponist, was für mich als ursprüngliche Musikwissenschaftlerin sehr spannend ist. Feininger hat sich viel mit den Fugen von Bach beschäftigt. Die Gesetzmäßigkeiten des Kontrapunktes haben ihn fasziniert und er hat versucht, die Prinzipien von Themen, Variationen und Wiederholungen in seinen Bildern umzusetzen. Ein sehr mathematischer Blick auf die Malerei. Und wenn man behaupten möchte, dass Bach durch seine Fugen Kathedralen in Musik umgesetzt hat, dann hat Feininger in diesem Bild die Segelboote zu lichtdurchfluteten Kathedralen gemacht.


Wer oder was inspiriert dich?

Kurz gesagt: Alles. Es ist grauenhaft. Eigentlich gibt es nichts, wofür ich mich nicht interessiere. Bilder entstehen bei mir oft aus einer Stimmung heraus, aber es kann auch ein Musikstück sein, ein zufällig mitgehörtes Gespräch in der U-Bahn, ein bestimmter Winkel, in dem Licht auf eine Häuserwand fällt oder die Erinnerung an eine schöne oder eine traurige Begegnung. Das Problem an vielschichtigen Interessen ist, dass sie oft flüchtig sind. Eine meiner größten Herausforderungen ist, länger an einem Thema dranzubleiben. Oft kreisen mehrere „Themen“ in meinem Orbit und wechseln sich ab. Dann geraten wir uns aber früher oder später wieder in die Umlaufbahn und so funktioniert es eigentlich auch recht gut.


Ach, ich kann dich so gut verstehen. Wenn Gedanken kreisen, Ideen im Kopf erwachen & Worte fließen /// gibt es etwas Schöneres?! 
Es will gelebt werden.
Claire, ich weiß, dass du auch schreibst::: erzähle mir darüber… Wo kann ich dich lesen? 

Das Schreiben war lange vor dem Malen da – was interessant ist, denn im Moment überwiegt die Malerei bei mir deutlich. Als Kind wollte ich aber immer Autorin werden. Ich habe Bücher abgöttisch geliebt. Mich gab es einfach nicht ohne Buch vor der Nase und ich wollte immer genau diese Welten, in die man so wunderbar abtauchen kann, auch für andere Menschen erschaffen. Unter dem Autorenpseudonym Yalda Lewin sind in den letzten Jahren mit „Die dunkle Seite des Weiß“ und „Ruf der Drachen“ zwei Romane von mir erschienen, die man ganz normal im Buchhandel bekommt. In beiden Büchern geht es um Jakob Roth, einen Hochsensiblen, der als kleiner Stadtneurotiker in und um Berlin rätselhafte Kriminalfälle löst. Ich gehe davon aus, dass Jakob in Zukunft noch mehr zu tun bekommt, aber vorerst ist die Malerei bei mir wichtiger.


Was möchtest du mit deiner Kunst bei Menschen auslösen?

Ruhe. Weite. Das Gefühl, das Leben selbst in der Hand zu haben und etwas erreichen zu können. Den Bezug zur inneren Stimme, die im lauten Alltag oft nicht mehr zu Wort kommt. Wenn ich so etwas auslösen darf, bin ich glücklich. Mit am schönsten ist es übrigens, wenn ich mich direkt mit den Leuten austauschen kann und die Reaktionen auf meine Bilder sehe. Deshalb freue ich mich immer über Atelierbesuch oder über Menschen, die meine Bilder im Rahmen einer Ausstellung ansehen. Momentan kann man Bilder von mir im Berliner Restaurant Begur sehen – falls da mal jemand vorbeikommt, das Essen dort ist hervorragend. Im April 2016 darf ich in einer Galerie in München ausstellen und werde auch vor Ort sein. Ich freue mich schon sehr auf die Begegnungen und Gespräche!


Reisen wir nun mal in dein Paralleluniversum::: in welcher Zeit lebst du dort?

Muss ich mich wirklich entscheiden? Das ist schwer … Ich glaube, dann würde ich die Zeit der Weimarer Republik wählen. Ich würde gerne verstehen, was damals schiefgelaufen ist und wie es zu all den tragischen geschichtlichen Entwicklungen kommen konnte, die folgten. Ich würde aber auch gerne mit der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach in ihrem Auto bis nach Persien fahren oder mit „El Cachafaz“ in Buenos Aires Tango im Canyengue-Stil tanzen.

Danke schön, liebe Claire /// es hat viel Spaß gemacht dich zu besuchen & mit dir zu plaudern.


Hidden Gold I - Acryl auf Leinwand
Peonies at night - Acryl auf Leinwand
 
A night like this _ Öl auf Leinwand



(Meer.) über Claires blaue Welt findest du hier:::...

Pinterest: https://de.pinterest.com/Claire_Marin/

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